Ein Land mit Grenzerfahrungen

Burgenland ist das jüngste Bundesland und war immer schon ein Grenzland. Ob Landes- oder Staatsgrenze, im Burgenland ist man nie weit von einer solchen entfernt. Auch beim Erwandern der Summits der Bezirke kommt es zu echten Grenzerfahrungen und man kann auch immer einen Blick über die Grenzen werfen.

Bis vor 100 Jahren gehörte Burgenland als Deutsch-Westungarn zum Königreich Ungarn. Der Name „Burgenland“ wurde erst 1919 „erfunden“ und er soll danach erinnern, dass das Land aus Teilen von drei altungarischen Komitaten zusammengesetzt ist: Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vas), wobei man dazu sagen muss, dass der Großteil dieser alten Bezirke heute zu Ungarn gehören. Über mehrere Jahre wurde über die genaue Grenzziehung gestritten und das nicht immer nur mit Worten. Das einschneidendste Ereignis war eine Volksabstimmung im Dezember 1921. Damals wurde entschieden, dass die Stadt Ödenburg und die umliegenden Dörfer bei Ungarn verbleiben. Österreich konnte es sich damit abschreiben, dass Sopron Hauptstadt des neuen Bundeslandes wird. Seit damals ist Eisenstadt das Zentrum im östlichsten Bundesland. Technisch und topographisch war die neue Grenze bis Juli 1924 fixiert, die Grenzregulierungskommission hielt ihre letzte Sitzung am 2. August 1924 in Ödenburg ab. Also ist es gar nicht so tragisch, dass man corona-bedingt die 100-Jahr-Feier auf heuer verschoben hat.

Die Grenze zu den anderen Bundesländern war übrigens nicht so umstritten, während im Nordburgenland das Leithagebirge eine wahrnehmbare Barrikade zwischen Niederösterreich und dem Burgenland bildet, ist es im Mittelburgenland das Rosaliengebirge. Auf dem höchsten Punkt dieses alpinen Ausläufers (748 Meter) – er ist gleichzeitig auch die höchste Erhebung im Bezirk Mattersburg – wurde vor Hunderten Jahren eine Kapelle gebaut. Die barocke Wallfahrtskirche ist der Heiligen Rosalia gewidmet. An klaren Tagen reicht die Sicht von dort oben über das Mattersburger Becken bis zum Neusiedler See und weit über die Grenze nach Ungarn.

Länderecken und Aussichtstürme

Vier Länder stoßen ganz im Süden des Burgenlandes zusammen, allerdings nur fast: Rund fünf Kilometer sind zwischen dem Dreiländereck Steiermark-Burgenland-Slowenien und dem Dreiländereck Burgenland-Ungarn-Slowenien und genau dazwischen befindet sich der höchste Gipfel im BezirkJennersdorf. Wobei das mit den Gipfeln ist ein bisschen übertrieben. Der Stadelberg (slowenisch Sotinski) ist eher ein Höhenkamm und in der Mitte ist die Staatsgrenze. Wobei der österreichische Teil nicht sonderlich spektakulär ist, sondern sich irgendwo im Garten eines Anrainers befindet, haben die Slowenen einen kleinen Aussichtsturm aufgestellt, auf dem man vermutlich das halbe Land überblicken kann. Der Stadelberg ist mit seinen 418 Metern sowohl die höchste Erhebung der Regionen Prekmurje und Pomurska als auch des Bezirks Jennersdorf und wird von Slowenen gelegentlich als „Triglav des Prekmurje“ bezeichnet.

Ebenfalls einen Aussichtsturm hat man in Wörterberg (Bez. Güssing) errichtet. Wobei auch hier hat man ein „Rückenproblem“. Den am Bergrücken ist die Gemeinde „Wörterberg“ und offiziell ist man eigentlich bei der Kapelle mit 408 Metern am höchsten Punkt vom Bezirk Güssing. Allerdings wurde unweit davon 2004 eine 15 Meter hohe Aussichtswarte errichtet. Geht man die Stiege hoch, hat man nicht nur einen herrlichen Ausblick über das gesamte Lafnitztal, sondern ist vermutlich auch ein paar Meter höher.

Aus Grenzen werden Berührungspunkte

Das Burgenland lag jahrzehntelang im Abseits, am Saum des Eiserneren Vorhanges. Nach dem Zerfall des Ostblockes begann die Aufholjagd. Als wirtschaftlich unterentwickeltes Bundesland Österreichs wurde das Burgenland 1995 zur Gänze zum Ziel-1-Gebiet der Europäischen Union erklärt. Doch diesen Status hat es längst überwunden und aus einer Rand- wurde eine Begegnungszone. Das merkt man auch am höchsten Punkt des Burgenlandes: Den Geschriebenstein, ungarisch: Írott-kő. Er ist Teil des Naturparks Geschriebenstein-Írottkő, dem ersten grenzüberschreitenden Naturpark zwischen Österreich und Ungarn.

Auf der Passhöhe am Geschriebenstein liegt auch das Landesehrenmal. Es wurde vom Kameradschaftsbund für die gefallenen und vermissten Burgenländer beider Weltkriege im Jahre 1961 errichtet. Auf der anderen Straßenseite gab es einst ein Wirtshaus. Den großen Parkplatz dazu gibt es noch immer. Und von diesem Parkplatz weg geht auch der Weg zum Großen Hirschenstein, der höchsten Erhebung im Bezirk Oberwart und dem zweithöchsten Berg des Lands bzw. dem höchsten, der zur Gänze im Burgenland ist. Seinen Namen verdankt der Hirschenstein laut Legende König Matthias Corvinus, der auf der Jagd mit seinem Speer einen Hirsch erlegte, der sterbend genau auf diesem Stein zusammengebrochen sein soll. Statt des Hirsches thront nun ein Sender mit einer Gesamthöhe von 90 Metern auf dem Gipfel und versorgt das Mittel- und Südburgenland mit Fernseh- und Raioprogrammen. Zählt man diese zu den 862 Metern dazu, wäre er deutlich höher als sein Nachbar auf der anderen Seite der Straße. Denn wenn man vom Parkplatz östlich in den Wald geht, erreicht man in einer halben Stunde den Geschriebenstein. Mit 884 Metern ist er der höchste Berg im Burgenland und des Bezirkes Oberpullendorf – und auch die höchste Erhebung im ungarischen Westtransdanubien. Und er ist der östlichste Ausläufer der Alpen. Die Folge: Von dem zweistöckigen gemauerten Aussichtsturm aus dem Jahr 1913, der zur Hälfte in Österreich und in Ungarn steht, hat man eine herrliche Aussicht.

An der Grenze zur Steiermark ist bei der Kapelle in Wörterberg die höchste Erhebung des Bezirkes Güssing (der dazu passende Aussichtsturm ist ein Steinwurf entfernt). Im Bezirk Jennersdorf – an der Grenze zu Slowenien – ist der Stadelberg die höchste Erhbung. Fast ein bisschen alpin wird es im Mittelburgenland, wo mit dem Hirschenstein und dem Geschriebenstein (den Gipfel teilen sich Österreich und Ungarn) die östlichsten Ausläufer der Aplen stehen.

Rund um den See

Der Einwohnerzahl nach ist das Burgenland bundesweit zwar Schlusslicht, aber in der Verwaltung spielt es durchaus vorne mit. Immerhin gibt es für die knapp 300.000 Einwohner sieben politische Bezirke und zwei Statutarstädte – und damit mehr als doppelt so viel wie im Ländle und auch mehr Bezirke wie das deutlich größere Salzburg. Und das Land rund um den Neusiedler See hat gleichviel Verwaltungseinheiten wie das dreimal so große Tirol. Bei den Summits der Bezirke ist das Burgenland aber nicht mit Tirol vergleichbar.

Schaut man sich das Burgenland auf der Karte an, hat man das Gefühl, es zerfällt in zwei Teile – an der dünnsten Stelle ist das Land nicht einmal vier Kilometer breit. Der obere Teil ist dominiert von einem See. Der Neusiedler See (ungarisch Fertő tó, fertő bedeutet wörtlich „Sumpf“) ist einer der wenigen Steppenseen in Europa und der größte abflusslose See in Mitteleuropa. Von den 320 Quadratkilometern sind 180 Schilfgürtel, der Großteil des Sees, nämlich 230 Quadratkilometer liegen in Österreich, das südliche Ende liegt auf ungarischem Staatsgebiet. Der See und die gleichnamige Stadt haben auch einem Bezirk den Namen gegeben. Der Bezirk „Neusiedl am See“ ist der größte Bezirk im Burgenland und hat mit knapp 60.000 auch die meisten Einwohner. Und in diesem Bezirk, genauer gesagt in der Gemeinde Apetlon, ist auch der tiefste Punkt Österreichs, man ist dort lediglich 114 Meter höher als im Hafen von Triest. Der höchste Punkt in diesem Bezirk liegt auf der anderen Seite des Sees in Winden am See. Dort, im Leitha-Gebirge, liegt der Zeilerberg (302 Meter). Aber Achtung: Der Berg ist im Truppenübungsplatzes Bruckneudorf und das Betreten daher nur sehr eingeschränkt möglich. Vor dem Aufstieg sollte man sich unbedingt informieren, ob an diesem Tag scharf geschossen wird.

Am besten parkt man das Auto beim Ludl-Loch oder der Bärenhöhle und beginnt die Besteigung mit einem Höhlengang, geht also quasi in den Zeilerberg. In der Bärenhöhle wurden übrigens Anfang des 20. Jahrhunderts Knochen von Höhlenbären und anderen eiszeitlichen Tieren entdeckt.  Etwa zehn Minuten oberhalb liegt dann der Gipfel des Zeilerberges, den man, wenn nicht scharf geschossen wird, auch besteigen kann. Von oben hat man eine herrliche Aussicht – es liegt einem der Neusiedler See zu Füßen …

… und die kleinste Staturstadt

Rust ist mit nicht einmal 2000 Einwohnern die kleinste Statutarstadt Österreichs. Im Jahre 1649 kauften sich die Bürger von der Herrschaftsuntertänigkeit frei, die Stadt bezahlte dafür 60.000 Goldgulden und 500 Eimer besten Weines an die Habsburger. Am 3. Dezember 1681 erhielt Rust von Kaiser Leopold I. den Titel königliche Freistadt. Da die Stadt am Neusiedler See bereits vor dem Anschluss des Burgenlandes an Österreich im Jahr 1921 – damals halt ungarische – Freistadt war, wurde es Statutarstadt und ist seitdem der kleinste Verwaltungsbezirk Österreichs. Bekannt ist Rust vor allem als Stadt der Störche und als Weinbaugemeinde. Berge sucht man dort vergebens, der höchste Punkt liegt auf dem Hang in Richtung St. Margarethen.

Unterwegs im Leithagebirge

Nur zehn Kilometer von Rust entfernt liegt die zweite Statutarstadt des Burgenlandes. Die Landeshauptstadt Eisenstadt suchte um ein Jahr früher (1648) um die Ehre der „Freistadt“ an und zahlte lediglich 6000 Gulden, dafür lieferten sie deutlich mehr Wein ab (3000 Eimer).  Die kleinste Landeshauptstadt der Republik ist eng dem Geschlecht der Esterhazys verbunden. Baron, später Graf Nikolaus Esterházy de Galantha (1533–1604) legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte dieser ungarischen Adelsfamilie. 1622 erhielt er vom Kaiser die Herrschaft Forchtenstein samt Grafentitel und die Herrschaft Eisenstadt, die beide bis heute im Besitz der Familie geblieben sind. 1687 wurde sein Sohn Paul Esterházy in den Fürstenstand erhoben. Die Familie Esterházy entwickelte sich bald zu einer der reichsten Adelsfamilien Mitteleuropas und hatte zahlreiche Schlösser. Sie entschied sich für Eisenstadt als fürstlichen Hauptsitz, baute die alte Wehrburg zu einem repräsentativen Schloss um und pflegte eine sehr aufwändige, eindrucksvolle Hofhaltung. Durch die Bestellung von Joseph Haydn zum fürstlichen Hofkapellmeister 1767 gingen die Esterhazys auch in die Musikgeschichte ein.

Gleich hinter dem Schloss beginnt der Park und der geht nahtlos in das Leithagebirge über. Der höchste Berg des Leithagebirges und auch gleichzeitig die höchste Erhebung im Bezirk Eisenstadt-Umgebung ist der Sonnenberg (484 Meter). Am Gipfel diese Waldhügels befindet sich die Sonnenbergwarte, ein in der Zeit des Kalten Krieges errichteter Grenzwachturm, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hierhergebracht wurde. Heute ermöglicht dieser 15 Meter hohe Metallturm einen Rundumblick, bei schönem Wetter bis zum Wechsel und auf der anderen Seite liegt der See. Die Besteigung des Berges kann man ausgezeichnet koppeln: Einerseits mit dem Erreichen des höchsten Punktes der Statutarstadt Eisenstadt und andererseits mit Kultur. Dazu empfiehlt es sich nach Eisenstadt zu fahren und bei der Gloriette – sie ist natürlich etwas kleiner wie die Kaiserliche in Schönbrunn, aber auch ein barockes Meisterwerk – in den Wald zu gehen. Und fast alle Wege führen von dort zur Wegkreuzung „Beim Juden“, die höchste Erhebung in Eisenstadt. Nicht weit davon entfernt ist dann auch der Sonnenberg. Es ist aber vermutlich nicht jedermanns Sache, dort auf den historischen Wachturm für den Eisernen Vorhang zu steigen Die Leiter ist steil, der Aufgang eng und lediglich sechs Personen dürfen gleichzeitig oben sein – und für den einen oder anderen mag es eine Grenzerfahrung sein. Aber das Leben mit Grenzen ist man im Burgenland gewohnt … doch das ist eine andere Geschichte.

  1. Es war zwar das Wetter an diesem Burgenlandtag nicht ideal, aber man konnte erahnen, wie großartig die Aussicht am Zeilerberg sein kann.
  2. Noch schlechter war das Wetter in Rust. Der höchste Punkt liegt unweit des Familyparks – ist aber weit nicht so spektakulär wie dieser.
  3. Mitten im Wald ist die Wegkreuzung „Beim Juden“ – ein Praterstein des Leithagebirges.
  4. und 5. Und der Höhepunkt des Leithagebirges ist der Sonnenberg. Auf seinem Gipfel steht ein historischer Grenzturm aus den Zeiten des Kalten Krieges. Von oben hat man einen herrlichen Rundumblick